Leere Schaufenster gibt es viele in deutschen Innenstädten. Eine alternative Nutzung dieser Flächen zeigt das Pilotprojekt „Allgemeinladen“ im Rahmen des Forschungsprojekts „R3 – Resilient, Regional, Retail in der Metropolregion Nordwest“ auf: Produkte lokaler Einzelhändler werden innerhalb einer gemeinsamen Schaufensterfläche präsentiert. Das Besondere dabei ist, dass unabhängig von der Öffnungszeit über verknüpfte QR-Codes Informationen zu Produkten und Händlern erreicht werden können.
Bisherige Unternehmen in den Allgemeinläden
CARL GROSS Retail GmbH
Jacques’ Wein-Depot
Fundus - Das lütte Kaufhaus
Alis Schnäppchen Markt
Ani Boutique 91
ELA Juwelier
Der Spielspass
Allgemeinladen Hafenpassage
Buchhandlung Memminger GmbH
Schulz Juweliere GmbH
Rosas Naturkosmetik
Allgemeinladen Wesermarsch
HÄNZDÄNZ - Modedesign aus dem Norden
Fasting Schuhmode
Pelletofenstudio Röhrl
Lille Hus
tohuus
Juwelier Gerhardt GmbH
Café MitMensch Berne
Mode W, Karl Wessels GmbH & Co. KG
Insgesamt mehr als 110 Unternehmen haben in den Allgemeinläden an unterschiedlichen Standorten teilgenommen.
Innerhalb des Projekts „R3 – Resilient, Regional, Retail in der Metropolregion Nordwest“ soll eine Plattform für den regionalen Einzelhandel und eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Versorgungs- und Logistikstruktur konzeptionell entwickelt werden. Dabei sollen die Probleme des stationären Einzelhandels gegenüber dem Onlinehandel berücksichtigt werden. Eines der Hauptprobleme des stationären Einzelhandels ist es, nicht die Vorteile digitaler Plattformen hinsichtlich Effizienz und Kundenorientierung in gleichem Maße nutzen zu können wie die „großen“ Online-Handelsunternehmen. Eigene Investitionsmittel sind hier nicht ausreichend und vergangene oder aktuelle Einzelhandelsplattformen sind bereits gescheitert oder aus verschiedenen Gründen nicht erfolgsträchtig.
Dabei hat der regionale Einzelhandel große Vorteile, bspw. weil die Waren meist schon vor Ort sind – alle Einzelhandelsunternehmen einer Region können in diesem Sinne auch als ein großes Warenlager interpretiert werden. Dies bedeutet, der Hauptlauf wird oft effizienter organisiert und weiterhin sind kundenfreundliche Services wie beispielsweise „Same-Day Delivery“ in Zusammenarbeit mit einem regionalen Logistikdienstleister möglich.
Innerhalb des Projekts sollen unter anderem Maßnahmen pilotiert werden, um zu untersuchen, inwieweit der Einzelhandel durch moderne Verkaufs- und Vermarktungsstrategien gestärkt werden kann. Ein Ansatz im Rahmen des genannten „Multichannel-Ansatzes“ ist dabei die Idee eines „Allgemeinladens“, in dem unterschiedliche Handelsunternehmen ausgewählte Produkte ausstellen können. Im Sinne des „Connected Retail“ können über das Scannen von QR-Codes weitere Produktinformationen auf Mobilgeräten eingeholt, der Kontakt zu Händlerinnen und Händlern hergestellt und Produkte gekauft werden. Weiterhin ist die Anbindung einer logistischen Dienstleistung mit Heimlieferung und taggleicher Lieferung möglich.
Das Ladengeschäft „Allgemeinladen“ soll außerdem als Informationsstelle des Projekts „R3 – Resilient, Regional, Retail in der Metropolregion Nordwest“ dienen. Dabei soll Interessierten die aktuelle Situation des Einzelhandels nähergebracht und über Trends und Möglichkeiten neuer Einkaufswelten informiert werden.
Hintergrund der Idee
Wie sieht die Zukunft des stationären Handels in Deutschland aus? Eine Frage, die Fachkundige der Bereiche Handel und E-Commerce heute umtreibt. Der größte Teil des Einzelhandels des Landes findet noch immer in Geschäften statt, und rund 87 % 1 des Einzelhandelsumsatzes im Jahr 2019 werden noch immer dort abgewickelt. Im Non-Food-Handel erreicht der Offline-Umsatz jedoch nicht einmal 80 % und sinkt weiter stark. Dennoch ist in vielen Fällen das Verständnis für das „subtile“ Problem des digitalen Wandels noch unzureichend. So hat beispielsweise eine kürzlich durchgeführte Studie von IHK und ibi Research gezeigt, dass 49 % aller Handelsunternehmen immer noch keine Online-Verkäufe tätigen. Allerdings haben von den 73% der Unternehmen, die über einen Online-Shop verfügen, nur knapp jedes Zehnte eine für Mobilgeräte optimierte Website.
Im Gegensatz dazu nutzen bereits über 77 % der erwachsenen Deutschen das mobile Internet, wovon die meisten sich dort bessere Einkaufsmöglichkeiten wünschen. Dabei lässt sich die Ausgangsfrage nur unter der Prämisse beantworten, dass sich auch der stationäre Handel digital transformieren lässt. Obwohl sogenannte Multi-Channel-Services wie Online-Verfügbarkeitsabfrage, Click & Collect und Online-Artikelbuchung zum Standardprogramm für den stationären Fachhandel im englischsprachigen Raum gehören, stehen die meisten der Top 100 deutschen Handelsunternehmen diesbezüglich hinten an. Dabei sind die meisten Omni-Channel-Konzepte nur die Anfangsphase des zukünftigen Einzelhandels. Ihr Nachteil ist, dass die Verkaufsfläche selbst meist nicht zu sehen ist, sondern fast nur ein Wegweiser zum Laden über das Internet ist. Auch der stationäre Handel muss sich von Grund auf mit der Ladenfläche auseinandersetzen und diese an Einsatzmöglichkeiten von Smartphones anpassen.2
Moderne Ansätze aus dem sogenannten „Multi- und Omnichanneling“ verbinden die Vorteile der „Handelswelten“ online und offline miteinander. Diese Ansätze verfolgen die gleichzeitige Berücksichtigung unterschiedlicher Vertriebs- und Marketingwege auf analoge und digitale Weise. Online- und Offlinehandel wird dabei nicht mehr als getrenntes Wirtschaften, sondern vielmehr als hybrides Konzept behandelt, um das Einkaufserlebnis attraktiv zu gestalten und möglichst auf die Kundschaft zuzuschneiden.3
Hybride Verkaufsstrategien helfen die Vorteile des stationären Einzelhandels und E-Commerce zu verbinden und dabei den jeweiligen Nachteilen entgegenzuwirken. So kann kompetentes Verkaufspersonal die teilweise auftretende Überforderung beim Online-Produktangebot auffangen. Auch der verstärkt auftretende ROPO-Effekt („Research Online Purchase Offline“) kann durch den stationären Handel durch die Implementierung einer Online-Präsenz genutzt werden, indem Kund*innen sich online über die verfügbaren Produkte informieren und diese dann offline kaufen können.4 Weiterhin kann die Integration von Diensten wie „Click & Collect“ zu Umsatzzuwächsen führen.5
Der sogenannte Ansatz des „Connected Retail“ verfolgt die Verbindung der analogen Welt des stationären Einzelhandels mit virtuellen Elementen, um das Einkaufserlebnis aufregender zu gestalten. Mithilfe von „Location-based Services“, was bedeutet, dass Kundschaft vor Ort in einem Geschäft mithilfe von z.B. QR-Codes und ihren Smartphones Informationen zu bestimmten Produkten und Unternehmen in Echtzeit zugestellt bekommen.6 Durch diesen Ansatz entsteht eine Verschmelzung von analogem und digitalem Einkaufserlebnis. Die Kundschaft erhält unverbindlich Informationen zu Produkten, die ihr Interesse weckt und hat die Möglichkeit in einem weiteren Schritt z.B. Kontakt zum/r Verkäufer*in herzustellen, weitere Beratung anzufordern oder einen Kauf abzuschließen.
(1) Statista, “Umsatzanteil des eCommerce im Einzelhandel in Deutschland | Statista,” 2021, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/261395/umfrage/umsatzanteil-des-ecommerce-im-einzelhandel-in-deutschland/, accessed September 2021. (2) Gerrit Heinemann, Die Neuerfindung des stationären Einzelhandels (Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2017). (3) Anabel Ternès, Ian Towers, and Marc Jerusel, Konsumentenverhalten im Zeitalter der Digitalisierung (Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2015). (4) Gerrit Heinemann, Die Neuerfindung des stationären Einzelhandels (Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2017). (5) Anabel Ternès, Ian Towers, and Marc Jerusel, Konsumentenverhalten im Zeitalter der Digitalisierung (Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2015). (6) Anabel Ternès, Ian Towers, and Marc Jerusel, Konsumentenverhalten im Zeitalter der Digitalisierung (Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2015).
Umsetzung der Idee
Die Umsetzung des „Allgemeinladen“ umfasst folgende Komponenten:
Vorstellung und Bewerbung des Projektes, der Motivation und Hintergründe sowie der Ziele
Plakate zur Information, QR-Codes zur Weiterleitung auf die Projekt-Website
Ausstellungs- und Verkaufsfläche für den Einzelhandel und Produkte bieten; Regale und Schaufenster
Möglichst vollständige Etablierung eines Connected Retail-Piloten
Smartphone als Scanner/Lupe und QR-Code zur Preisauszeichnung, Produktinformation, Kontaktmöglichkeit sowie zum Kaufabschluss bis hin zur Zahlung
Bibliography
Heinemann, Gerrit. Die Neuerfindung des stationären Einzelhandels. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2017.